Klimafreundlich bauen

Klimaschutz ist zwischenzeitlich in aller Munde und viele machen sich Gedanken, was ihr Beitrag zur CO2-Vermeidung sein kann. Das beginnt beim Einkauf, bei der Fortbewegung und beim Reisen, hat aber auch mit der Art zu tun, wie wir wohnen, heizen und auch bauen. Beim Bauen werden große Mengen an Material und damit auch Energie bewegt und verarbeitet, was unterschiedliche Auswirkungen auf das Klima hat, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind.

 

Gebäudegröße

Elementar sowohl bei den Kosten wie bei der Klimarelevanz ist die Gebäudegröße in Bezug auf die Nutzeranzahl. Hatte der Durchschnittsbürger 1960 noch durchschnittlich ca. 19 m² Wohnfläche zur Verfügung sind es heute ca. 47 m², wie man beim statistischen Bundesamt nachlesen kann. Grund hierfür sind zum einen gestiegene Ansprüche an die Wohnverhältnis-se und zum anderen die stetig sinkende Anzahl der Haushaltsgröße von der Großfamilie in Richtung Single-Haushalt. So kommen heute auf 1.000 Einwohner rund 507 Wohnungen, 40% aller Wohnungen in Deutschland sind Single-Haushalte, wobei v.a. Senioren häufig große Flächen belegen. Obwohl die Bevölkerung in Deutschland trotz eines gewissen Zuzugs zwischen 1960 und heute nur um rund 10% gewachsen ist, was für sich genommen keine große Veränderung des Flächenverbrauchs bewirken würde, finden sich allerorten ausufernde Baugebiete, die enorme Ressourcen verbrauchen. Auch wenn es hier und da auch aus Kostengründen einen Trend zu sogenannten Tiny Houses und in den Städten zu Mikroappartements, Wohnungssharing und Wohnen auf Zeit gibt, ist die allgemeine Entwicklung v.a. auf dem Land eher gegenläufig. Hier dominiert nach wie vor das Einfamilienhaus, das nach einer eher kurzen Zeit mit den Kindern am Ende wieder nur von 1-2 Personen bewohnt wird und häufig in einem Neubaugebiet liegt, für das man ein Auto benötigt.

 

Flexible Wohnungsnutzung

Auch Architekten und Stadtplaner haben erkannt, dass flexible Wohnstrukturen helfen könnten, Wohnungen nach Bedarf zu teilen, zusammen zu legen oder umzunutzen und damit Ressourcen zu sparen und gleichzeitig Gemeinschaft zu schaffen. Stichworte hierfür sind Mehrgenerationen-Wohnen, Bauherrengemeinschaften und sozial gemischte Quartiere. Dies betrifft aber v.a. den Geschosswohnungsbau in städtischen Gebieten, bei dem meist umfangreichere Planungen im Vorfeld erfolgen und gelegentlich auch behördliche Vorgaben für eine nachhaltige Flächennutzung bestehen. Bei Einfamilienhäusern ist evtl. die zuschaltbare Einliegerwohnung ein Ansatz in diese Richtung, aber sicher noch lange nicht das Ende. Im Alter brachliegende Wohnflächen könnten bei richtiger Planung bzw. sinnvollen Umbaumaßnahmen in kleinere Teilflächen mit separaten Eingängen oder ggf. auch Wohngemeinschaften überführt werden. Das gesellschaftliche Bewusstsein für solche Themen wächst immerhin, und es werden immer mehr Neubauprojekte im städtischen Kontext vorgestellt, in denen dies berücksichtigt wird. In Zeiten der Kleinstfamilien wächst der Bedarf nach gemeinschaftlichen Angeboten und Nachbarschaftshilfe, was auch durch richtige Wohnbauplanung unterstützt werden kann.

 

Nachhaltigkeitssiegel

Abgesehen von diesen strukturellen Überlegungen unter dem Aspekt, „ein qualitätsvolles weniger kann oft mehr sein“ sind beim konkreten Bauen natürlich viele weitere Aspekte im Hinblick auf deren Klimarelevanz abzuwägen. Dies betrifft die Infrastruktur eines Wohngebietes, d.h. die Verkehrsanbindung, die Energieversorgung, die Nutzung von Flächen und deren Versiegelung, den Herstellungsprozess von Baustoffen und Gebäuden, die Wohnnutzung und schließlich irgendwann auch den Abbruch. Die Bewertungsmöglichkeiten sind viel-fältig und Gegenstand fachlicher Diskussion. Wie genau sollen Lebenszykluskosten bewertet werden, wie wird z.B. die Recyclingfähigkeit von Produkten für die Zukunft auf CO2 bezogen bewertet, welche Ansätze für den Energieverbrauch bei der Herstellung kann man verwenden, wenn Hersteller A behauptet Ökostrom zu verwenden, bei Hersteller B hierzu keine Angaben vorliegen? Solche Fragen werden z.B. bei der Zertifizierung von Gebäuden von diver-sen Nachhaltigkeitssiegeln wie z.B. DGNB (Deutschland), LEED (USA), BREAM (Großbritannien), HQE (Frankreich) oder CASBEE (Japan) unterschiedlich beantwortet und sind zu einem Betätigungsfeld einer neuen Ingenieurskategorie geworden.

 

Infrastruktur

Viele Städte und Gemeinden haben erkannt, dass für den Klimaschutz, aber auch für zu-künftige Autarkie eine eigene und nachhaltige Energieversorgung essentiell ist, weshalb immer mehr lokale Energienetze, gespeist durch Geothermie, Hackschnitzel, Sonnenkraft oder Blockheizkraftwerke an den Start gehen, die immer weitere Gebiete versorgen können. Im Großraum München betrifft dies sowohl die Fernwärme der Stadt, wie im Umland zahlreiche Gemeinden, die Wärme aus Geothermie und Hackschnitzel anbieten. Die hohen Investitionskosten solcher Netze werden durch den Anschluss vieler Haushalte relativiert und stellen für die Gesellschaft einen großen Mehrwert sowohl in ökologischer und finanzieller Hinsicht, wie in Bezug auf Unabhängigkeit und Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen dar. Dies ist auch ein Grund, warum für den Anschluss an solche Netze hohe Fördergelder zur Verfügung stehen. Ergänzt werden können Nahwärmenetze durch Solarstrom, der auf den Dächern vieler Häuser kostengünstig produziert, in zwischenzeitlich erschwinglichen Batterien gespeichert und über ein intelligentes Stromnetz bedarfsgerecht verteilt werden kann. Hierzu, wie auch für die Windkraft sind jedoch auch leistungsfähige Stromtrassen erforderlich, ohne die die Energiewende nicht gelingen wird. Der Abschied von Öl und Gas ist eingeläutet, aber noch ein weiter Weg zu gehen.
Ein weiteres großes Thema ist die Verkehrsanbindung – die Erschließung neuer Bauflächen abseits von Zentren, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten und öffentlichem Nahverkehr produziert unnötigen Individualverkehr und stellt auch für die Bewohner solcher „Schlafstädte“ einen erheblichen Nachteil dar, der durch richtige Bauleitplanung oft verhindert werden könnte.

 

Baustoffe

Wenn wir nun über einzelne Gebäude sprechen, ist neben dem Flächen- und Materialverbrauch, der je nach Bauweise unterschiedliche Herstellungsaufwand und später der Energie-bedarf des Gebäudes zu berücksichtigen. Gesetzliche Vorgaben zum Energiebedarf bei der Herstellung gibt es bedauerlicherweise noch nicht, Vorgaben zum Energiebedarf im Betrieb dagegen seit 1977 mit der nach der Ölkrise eingeführten Wärmeschutzverordnung, die 2002 von der Energieeinsparverordnung (EnEV) abgelöst wurde. Aktuell ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Vorbereitung, das auf der EU-Gebäuderichtlinie von 2010 basiert und den Niedrigstenergie-Standard für Neubauten fordert, wenngleich bedauerlicher Weise keine größere Verschärfung der bisherigen Anforderungen vorgesehen ist.
Dennoch macht es Sinn, auch über die Klimarelevanz der Herstellung zu sprechen, wie es Nachhaltigkeitssiegel tun. Für die Produktion von Stahl, Glas und Zement oder das Brennen von Ziegeln fallen sehr große Energiemengen an, der Transport dieser schweren Baustoffe verbraucht weitere Energie. Der Holzbau ist dabei stark im Vorteil, da beim Wachstum von Holz CO2 gebunden und das Klima verbessert wird und die Verarbeitung von Holz und auch der Transport mit im Vergleich zu anderen Baustoffen äußerst geringem Energieaufwand erfolgt. Weitere Vorteile des Holzbaus sind ein hoher Vorfertigungsgrad und damit verkürzte Bauzeiten und von Haus aus sehr gute Dämmwerte, die auch im Betrieb trotz schlanker Querschnitte für weitere Energieeinsparung sorgen. Nicht ohne Grund werden beispielhafte Wohnprojekte in Holzbauweise öffentlich gefördert. Auch im Geschosswohnungsbau, in dem bis vor einiger Zeit Holz aus Gründen von Statik und Brandschutz nur untergeordnet zum Einsatz kam, ist zwischenzeitlich ein Umdenken erfolgt, so dass in aller Welt Wohngebäude auch oberhalb der Hochhausgrenze errichtet werden (z.B. HoHo Wien mit 24 Geschossen). Dennoch liegt der Anteil der Holzhäuser im deutschen Wohnbau noch bei niedrigen 18% (mit leicht steigender Tendenz). Vorreiter im Holzbau ist Baden-Württemberg mit einem Holzbauanteil von rund 30%.
Grundsätzlich ist auch die Wiederverwertbarkeit von Holzbauten aufgrund der gefügten Bauteile im Vergleich zu anderen Baustoffen, die maximal ein „Downcycling“ z.B. in Form von Beton- und Ziegelbruch im Straßenbau erfahren, erheblich besser, wenn bei der Montage einige Regeln beachtet werden.
Aber auch andere Naturmaterialien wie Lehm und Stroh können bei regionaler Verwendung energiesparend eingesetzt werden, haben aber konstruktiv nicht die Bedeutung des Holzbaus, da Lehm zumindest in unseren Breiten meist nur als Putz oder in gewissem Umfang im Einfamilienhausbau zum Einsatz kommt und in sehr großen Mengen bei uns kaum zur Verfügung steht. Auch der Strohballenbau ist eine Ausnahmeerscheinung, die v.a. für kleinere Gebäude geeignet ist, bei denen die systembedingt sehr großen Wandstärken keine Rolle spielen.

 

Betriebsenergie

Wie erläutert werden seit längerem allmählich steigende Anforderungen gestellt an den Energiebedarf neuer Gebäude bzw. an Gebäude, bei denen in größerem Umfang Veränderungen durchgeführt werden. Diese Anforderungen beziehen sich auf die beheizte Fläche, was zwar für eine Vergleichbarkeit der Gebäude sorgt, jedoch außer Acht lässt, dass z.B. Wohnen einer 10-köpfigen Familie in einem schlecht gedämmten Altbau energiesparender sein kann, als das großzügige Passivhaus eines kinderlosen Ehepaares – ganz abgesehen von der Herstellungsenergie. Eine Nachrüstverpflichtung für den Bestand gibt es nach wie vor nicht, dafür jedoch v.a. durch die KfW erhebliche Fördergelder bei energetischen Sanierungen wie auch für überdurchschnittlich energiesparende Neubauten. Klimafreundlich bauen in Bezug auf die Betriebsenergie bedeutet neben der am besten geringen personenbezogenen Flächennutzung eine hochwärmedämmende Gebäudehülle und die Nutzung regenerativer Energiequellen für evtl. weiterhin benötigte Betriebsenergie. Dabei haben sich die durchschnittlichen Wärmedämmwerte z.B. von Altbauten aus den 1950er Jahren von ca. 1,5-2 W/m²K auf nur für Neubauten typische ca. 0,2 – 0,3 W/m²K, d.h. etwa um den Faktor 6 reduziert. Bei Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen im Bereich der Gebäudekonstruktion (Holzbau) und / oder Gebäudedämmung (Massivbau) kann auch der Ressourcenverbrauch bei diesen Verbesserungen gering gehalten werden. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen werden aus diesem Grund in mehreren Programmen (z.B. Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft) gefördert. Durch effizientere Heizungen und eine verbesserte Luftdichtheit der Gebäude konnten im Gebäudebestand ebenso wie bei Neubauten weitere erhebliche Einsparungen erzielt werden.
Moderne klimafreundliche Gebäude verwenden keine fossile, sondern regenerative Energie, die im Idealfall übergeordnet über ein Nah- oder Fernwärmenetz bereit gestellt wird und ansonsten im oder am Objekt mittels Holz, Solarenergie oder ggf. Wärmepumpe, die bei Verwendung von selbst erzeugtem Strom ebenfalls sehr nachhaltig sein kann, erzeugt wird. Mittels einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung können die Lüftungswärmeverluste um bis zu 90% reduziert werden, so dass am Ende ein Plus-Energie-Haus möglich ist, das mehr Energie durch Sonnenkraft erzeugt, als es selbst verbraucht.

 

Fazit

Klimafreundlich bauen beginnt lange vor dem ersten Spatenstich bei der Schaffung nachhaltiger Rahmenbedingungen für Neubauten und Sanierungen. Der Begriff bezieht sich auch auf den personenbezogenen Flächen- und Ressourcenverbrauch, auf Baustoffe, die nur einen kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen und Gebäude, die flexibel und mit möglichst wenig Leerstand mit regenerativer Energie betrieben werden und bei einem evtl. späteren Rückbau effizient und mit möglichst wenig Abfall weiter verwendet werden können und dabei nach Möglichkeit ein lebenswertes und gemeinschaftliches Umfeld bieten.